Appell für eine bunte Welt!

Das Mittelstufentheater des Stromberg-Gymnasiums zeigt eine hochaktuelle Politsatire

(Hl) „Rot, rot, rot sind alle meine Kleider“, singen die sogenannten Rotlinge – ein Volk, das unter seiner Königin nur die Farbe Rot kennt und toleriert – in dem Stück „Bunte Welt“ von Hans Peter Tiemann. Unter der Leitung von Regisseurin Dorothea Schwilk zeigte vergangenen Freitag das Mittelstufentheater des Stromberg-Gymnasiums diese politische Satire, die anhand der Farbthematik das hochaktuelle Thema der Toleranz gegenüber der Vielfalt der Menschen aufgreift.

Dass die Fixierung der Rotlinge auf nur eine Farbe nicht rechtens ist, vermittelt schon die erste Szene, bei der ein fröhliches Spiel von buntgekleideten Menschen mit ebenso bunten Luftballons abrupt von den Wachen der roten Königin unterbrochen wird –passend untermalt mit dramatischer Musik und durch die aufwendigen und kontrastreichen Kostüme der Rotlinge in schwarz-rot ebenso dramatisch in Szene gesetzt.

In dem Stück, das mit 41 unterschiedlichen Rollen und fast ebenso vielen Szenenwechseln aufwartet, darf jedoch auch herzlich über die Absurdität einer solch intoleranten Farbdiktatur gelacht werden. So scheint das größte Problem im Reich der Rotlinge der Mangel an roter Grütze zu sein, denn etwas Anderes kommt der von Lara Mühlfelder wunderbar hysterisch gespielten Königin natürlich nicht auf den Tisch. So wird auch extra Prof. Dr. Dr. Tüftel zu Rate gezogen, der den vorhandenen, abscheulich grünen Wackelpudding mit Hilfe einer monströsen, aber recht unwilligen Verwandlungsmaschine in die gewünschte Form bringen soll, aber am „mogeln, mogeln, mogeln“ der Maschine kläglich scheitert.

Ganz in der Manier des modernen Theaters wird auch immer wieder die sogenannte 4. Wand zum Publikum durchbrochen und den Zuschauern in leicht ironischem Tonfall klargemacht, dass es hier ein Theaterstück betrachtet, das sie zum Nachdenken anregen soll. So wird den Eltern, Lehrern und Mitschülern im Zuschauerraum nach der dramatischen Sterbeszene des roten Königs erläutert, dass dieser nun abtreten müsse, da der Schauspieler Patrick Daubner später noch für eine andere Rolle gebraucht werde. Man bitte um Verständnis.

Lag der Fokus vor der Pause mit der Bewirtung durch die Klasse 8c noch hauptsächlich auf der Lächerlichkeit der roten Farbintoleranz, nahm danach die Gegenbewegung um den von Cedric Krugmeister souverän dargestellten, revoltierenden Prinz Tomato Fahrt auf. Schon immer der Meinung, es müsse doch noch andere Farben geben, verliebt sich besagter, kritisch denkender Prinz in Eidotterchen, eine Gelbe aus dem Reich der Gelblinge. Mit Hilfe der Macht von bunten Blumen von der Schönheit der Vielfalt überzeugt, macht sich schließlich Eidotterchen auf den Weg, den geliebten Prinzen im Reich der Rotlinge zu besuchen und lässt sich dabei auch nicht von den Versuchen, sie rot anzumalen, abhalten. Hans Peter Tiemann als Autor des Stückes versteckt dabei viel unterschwellige Kritik, so zum Beispiel an dem indoktrinierenden Bildungssystem der Rotlinge, an der schlagzeilengeilen Regenbogenpresse („Tomato trifft tolle Tussi“) oder an der auf „alternativen Fakten“ beruhenden Selbstinszenierung von fadenscheinigen Berühmtheiten wie dem dümmlichen Entdecker Johnny Ketchup, der in Wirklichkeit noch nie außerhalb des roten Reiches war.

Schon in der ersten Hälfte mit Abschweifungen versehen, wird das Stück, das zum Ende hin mit einem bunten Zirkus inklusive Raubtierdomteuse, gescheitertem Messerwerfer und einem Feuerschlucker, einem Zauberteppich und einer Doppelverlobung aufwartet, immer farbenfroher und verrückter. So überrascht dann auch nicht der abschließende Apell des Prinzen: „Es liegt an euch, wie bunt die Welt ist“.

Zu Recht erhielt die 30-köpfige Theatergruppe aus Schülern der Klasse 5 bis 9 donnernden Applaus und ein großes Lob der Schulleiterin Kranich für ihre temporeiche und sehr unterhaltsame Darbietung. Die Schwierigkeiten, mit denen die Schüler durch kurzfristige Übernahme von anderen Rollen und teilweise mehrfacher Rollenbesetzung zu kämpfen hatten, waren dem Endergebnis dank dem disziplinierten und zeitaufwendigen Einsatz der Darsteller im Vorfeld und dem besonderen Engagement der betreuenden Lehrerinnen Schwilk und Eleftheria Glouftsi nicht anzusehen.