Ein wichtiger Baustein der Stärkenorientierung

Bilinguales Profil am Stromberg-Gymnasium feiert 15-jähriges Jubiläum – Ehemalige und gegenwärtige Schülerinnen und Schüler berichten von ihren Erfahrungen

Julian Kohlmüller kann sich noch gut an das erste Bewerbungsgespräch seines Lebens erinnern, im Frühjahr 2007. Er besuchte gerade die vierte Grundschulklasse, hatte sich für das Stromberg-Gymnasium als weiterführende Schule entschieden – und wollte dort unbedingt das bilinguale Profil belegen. Damit war er nicht alleine: Stolze 52 Anmeldungen lagen für das neue Profil vor. Das Regierungspräsidium hatte die zusätzlichen Englischstunden aber nur für eine Klasse genehmigt, also für 32 Schülerinnen und Schüler.

Allein auf die Hauptfachnoten aus der Grundschule mochte sich Hans-Günter Peisch, seinerzeit Schulleiter des Stromberg-Gymnasiums, bei der Auswahl nicht verlassen. Er wollte sich selbst einen Eindruck von den Englischkenntnissen der Kinder aus der Grundschule verschaffen. Also lud er alle Interessenten für einen Nachmittag zum Vorstellungsgespräch in Vierergruppen ein. Dabei habe er auf Englisch Fragen nach seinem Namen, seinen Hobbys und seinen Geschwistern beantwortet, erinnert sich Kohlmüller.

Der Zeitpunkt für die Einführung sei perfekt gewesen, so Peisch. Der Erweiterungsbau der Schule stand damals kurz vor der Fertigstellung. „Wir wollten nicht nur in Beton investieren, sondern vor allem in die Köpfe unserer Schülerinnen und Schüler“. Von Beginn an habe am Stromberg-Gymnasium großes Interesse an den modernen Fremdsprachen bestanden, berichtet der einstige Direktor. Das habe den Ausschlag für die Beantragung des neuen Profils gegeben. 

Julian Kohlmüller reizte insbesondere die Aussicht auf zusätzlichen Englischunterricht. Auch das Argument der besseren beruflichen Perspektiven in einer globalisierten Welt habe ihn schon damals überzeugt. „Und nach so viel mehr Aufwand klang es auch nicht.“ Das bilinguale Profil sieht in den Klassenstufen 5 und 6 insgesamt drei Wochenstunden mehr Englischunterricht vor. Ab Klasse 7 werden nach und nach die Fächer Geographie, Geschichte, Biologie und Gemeinschaftskunde zweisprachig unterrichtet. Während seines Studiums habe er mitunter Fachliteratur auf Englisch lesen müssen, berichtet der 25-Jährige, der heute als Zahnarzt tätig ist und zugleich seine Doktorarbeit schreibt. „Dabei habe ich vom Fachvokabular, das ich im bilingualen Biologieunterricht gelernt hatte, profitiert.“

Auch Annika Herkommer ist Absolventin des ersten „Bili“-Jahrgangs, der 2015 das Abitur ablegte. Englisch habe ihr bereits in der Grundschule viel Spaß gemacht, erzählt die ausgebildete Notfallsanitäterin und Medizinstudentin. In Klasse 5 und 6 habe sie es kaum erwarten können, sich in Klasse 7 endlich auch ein Sachfach zweisprachig zu erschließen. Es traf sich gut, dass zunächst Geographie auf dem Stundenplan stand: „Das hat schon als Kind zu meinen Interessen gehört“. In der Kursstufe wählte Herkommer den bilingualen Seminarkurs und verfasste auf Englisch eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Organtransplantationen. Eine gute Vorbereitung auf ihr Studium sei das gewesen, sagt die junge Frau rückblickend. Inzwischen hat sie ihre Tätigkeit als Notfallsanitäterin in unterschiedliche Länder – von Schweden über Italien bis nach Peru – geführt. „Gerade bei Patientenkontakten im Ausland haben sich die Kenntnisse aus dem bilingualen Unterricht als sehr hilfreich erwiesen“, resümiert sie.

Als Anna Steinbrich das Stromberg-Gymnasium 2019 mit dem Abitur in der Tasche verließ, hatte sie aufregende Monate hinter sich. Beizeiten hatte sich die Abiturientin für ein Studium der Philosophie, der Politik und der Volkswirtschaft an der englischen Universität Oxford entschieden. Dazu durchlief sie erfolgreich ein mehrstufiges Auswahlverfahren, das sie im Dezember 2018 zu Interviews auf den Campus der Elite-Uni führte. Zurzeit befindet sie sich im sechsten und letzten Semester und hat bereits Bewerbungen an Forschungseinrichtungen in Berlin, London und Brüssel geschickt. „Ich hatte nie Sorge, dass mein Englisch nicht gut genug sein könnte, und habe mich durch das bilinguale Profil gut vorbereitet gefühlt – sowohl im Alltagsenglisch als auch im akademischen Sprachstil“, blickt die 20-Jährige zurück.

Ihre Jahrgangskollegin Jana Rudnau wählte mit Eintritt in die Kursstufe erstmals ein bilinguales Angebot. Dass Englisch zu ihren Stärken gehört, habe sich im Lauf der Mittelstufe herauskristallisiert. Diese Erkenntnis und ihr geschichtliches Interesse ließen sie ihre Entscheidung für den dreistündigen bilingualen Geschichtskurs treffen. Auch ihr Selbstbewusstsein wurde dadurch mit Blick auf ihren späteren englischsprachigen Studiengang gestärkt: Rudnau studiert Politik, Philosophie und Wirtschaft, derzeit im Rahmen eines Auslandssemesters in Dublin. „Hier belege ich zwei Geschichtsseminare, in denen mir das Fachvokabular aus dem bilingualen Geschichtskurs hilft“, stellt sie fest. Über die Einstiegsmöglichkeit in der Kursstufe sei sie froh gewesen: „Mit elf war es für mich einfach noch zu früh zu entscheiden, was mir liegt“, so Rudnaus Resümee. 

Heute, 15 Jahre nach seiner Einführung, ist die Beliebtheit des bilingualen Profils ungebrochen. Für Schulleiterin Katja Kranich ist es „ein wichtiger Baustein unseres Konzepts, Schülerinnen und Schüler in ihren Stärken konsequent zu fördern“. Die 25 Fünftklässler der „Bili“-Klasse 5b nennen unterschiedliche Gründe für ihre Wahl. Dazu gehört der Wunsch, sich mit Freunden aus anderen Ländern verständigen und englischsprachige Filme im Original verstehen zu können – aber auch das Berufsziel Dolmetscherin. „Ich war immer voll neidisch, wenn meine Schwester und meine Mutter sich auf Englisch unterhalten haben und ich nichts verstanden habe“, verrät Anna Artinger, während Noah Frankenhauser es „faszinierend“ findet, „neue Regeln und neue Wörter zu entdecken“. Empfand Yannick Stolla es als „komplex“, als sich der Englischlehrer in der ersten Stunde in der Fremdsprache vorstellte, so hatte er schon vor den Weihnachtsferien keine Verständnisschwierigkeiten mehr – und kann selbst immer mehr auf Englisch sagen. 

Der Wunsch, Englisch schnell besser zu verstehen, war einer der Gründe, weshalb sich Alisa Cords (8c) für das bilinguale Profil entschied. Sie wollte endlich die Songs, die sie hört, auch verstehen. Aber nicht nur das Hörverständnis verbessert sich exponentiell, auch Wortschatz, Sprechflüssigkeit und die sichere Beherrschung grammatikalischer Strukturen nehmen rasch zu: „Mein Vater hat beruflich regelmäßig mit Menschen aus China, Indien und Japan zu tun. Er sagt, dass ich jetzt schon besser Englisch spreche als er“, verrät Sophia Zeeb (8c). Am bilingualen Unterricht in den Sachfächern schätzen die Achtklässlerinnen und Achtklässler auch die große Themenvielfalt, auf die sie ihre Sprachkenntnisse anwenden können.

Nadja Mamier (Jahrgangsstufe 1) hat sich bereits an verschiedenen Schulen im Ausland gut integriert, „weil ich mich auf Englisch gut ausdrücken konnte“. Dadurch habe sie viele Freunde gefunden, mit denen sie heute noch in engem Kontakt stehe. Überhaupt scheint das bilinguale Profil auch Gemeinschaft zu stiften: Zwar habe sie durch die zwei zusätzlichen Englischstunden in Klasse 5 von Anfang an Nachmittagsunterricht gehabt. Diesen habe sie aber auch deshalb nicht als Belastung empfunden, da sie ihn mit Freundinnen und Freunden im Klassenverband erlebt habe, erzählt die Oberstufenschülerin.

Und wenn alle Stricke reißen? Dann besteht die Möglichkeit, zum Ende eines Schuljahres das bilinguale Profil zu verlassen – was aber so gut wie nie vorkommt. Verlieren kann man durch die Entscheidung für dieses Profil also nichts. Gewinnen aber einiges.

Bericht und Foto: Sy

Die Schülerinnen und Schüler der „Bili“-Klasse 5b sprechen im double circle über ihre Arbeitsergebnisse.