„Wir sind inmitten einer Hochzeit des Schreibens. Die Menschheit hat noch nie so viele Texte geschrieben.“ So begrüßte der Autor Tobias Elsässer die Achtklässler am Frederick-Tag. Mit den nachfolgenden Stichworten Instagram, YouTube, TikTok, Spotify wurde schnell klar, welche Art von Geschichten hier gemeint ist. „Ihr seid umgeben von Geschichten“. Hört sich gut und inspirierend an, eben nach einer Hoch-Zeit. Die Suche nach dem „wahren Kern“ einer Geschichte hat schon immer die Literaturbegeisterten beschäftigt. Ist die schwierige Enttarnung von Fake News heute etwas Adäquates? Noch spannendere Frage: Sind diese Geschichten nicht auch mit mir selbst verwoben, da ich diese Geschichten mitschreibe, und weiter: Schreiben diese Geschichten nicht zugleich meine eigene Lebensgeschichte? Können wir uns überhaupt noch den medialen Geschichten entziehen und eigene Entscheidungen treffen, ohne „fremdbestimmt“ zu sein? Ein befremdender Gedanke oder einfach Realität im 21. Jahrhundert?
Das Jugendbuch „Play“ erzählt die Geschichte von Jonas, der sich eine App auf sein Handy herunterlädt, die eine Zukunftsprognose für sein Leben berechnet. Jonas ist entsetzt, da dieses Leben sehr dem seines Vaters ähnelt, der schon früh die Familie verlassen hat. Jonas beschließt, unberechenbar zu werden. Er will der Software dieser App zeigen, dass er nicht berechenbar ist, verabschiedet sich in der Nacht seines Abiballs aus der „trostlosen Wirklichkeit“ seiner Klassenkameraden „mit all den gleichen Biographien“. Ob es Jonas gelingt, der digitalen Vorherbestimmung zu entkommen, ließ Tobias Elsässer natürlich offen. Interessiert verfolgten die Schülerinnen und Schüler sowohl Elsässers ausdrucksstarke Lesung aus seinem Buch als auch seine persönlichen Offenlegungen, welche Wege und Umwege im Sinne von Zweifeln er in dem Entstehungsprozess dieses und anderer Bücher nimmt: „Man hat immer das Gefühl, Anfänger zu sein.“ Zugleich ermutigt er die jungen Menschen: „Schreiben kann Leben verändern.“ Anhand seiner eigenen Biographie legte er offen, auf welchen Wegen er selbst zum Schreiben gekommen ist, und dass Schreiben sein Leben verändert hat. Vielleicht ja auch das seiner Leser. So manch ein Zuhörer hat vielleicht still für sich Mut bekommen, dem Wunsch, selber Geschichten zu schreiben, nachzukommen. Im Literaturhaus Stuttgart ist Tobias Elsässer auch in dieser Hinsicht aktiv und bietet Schreibwerkstätten auch für Schüler an, im Spannungsfeld zwischen analogen und digitalen Medien. Nur Mut!
Info: Ziel des Frederick-Tages ist es, bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Lust am Lesen zu steigern. Neben Schulen beteiligen sich auch Bibliotheken, Kindertageseinrichtungen, Volkshochschulen, Pädagogische Hochschulen und viele weitere Kulturträger an der landesweiten Literaturaktion. Ins Leben gerufen wurde sie 1997 von der damaligen Landesregierung, benannt ist sie nach dem Kinderbuch „Frederick“ von Leo Lionni. |
Bericht und Foto: Ht