Der Beweis macht am meisten Mühe 

Schüler der 10c gewinnt ersten Preis beim Landeswettbewerb Mathematik

Es gibt schon merkwürdige Gesellschaftsspiele. Mara und Silvan etwa „spielen ein Spiel mit Perlen, die sich in zwei Gläsern befinden. Zu Beginn enthält das erste Glas 20 und das zweite Glas 23 Perlen. Abwechselnd führen sie je einen Spielzug durch. Ein Spielzug besteht darin, dass alle Perlen eines Glases entfernt und die Perlen des anderen Glases auf beide Gläser verteilt werden. Dabei darf nach einem Spielzug kein Glas leer sein. Wer zuerst keinen vollständigen Spielzug mehr durchführen kann, hat verloren.“ Alles klar? Mancher Jugendliche würde angesichts dieser komplizierten Spielregeln sicher entnervt vorschlagen: „Lass‘ uns doch einfach ‚Mensch, ärgere dich nicht‘ spielen!“ Nicht so Mara: Sie möchte sogar so spielen, dass sie das Spiel sicher gewinnt.

Mara und Silvan sind Figuren aus einer Textaufgabe des 37. Landeswettbewerbs Mathematik Baden-Württemberg. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestand die Herausforderung darin, herauszufinden, ob Mara überhaupt so spielen kann, dass ihr der Sieg sicher ist. Während manch einer der 639 Teilnehmer noch damit beschäftigt war, die komplizierten Spielregeln zu verstehen, hatte Jonathan Rösler aus der 10c des Stromberg-Gymnasiums längst die richtige Lösung ermittelt.

Jonathan ist einer von landesweit 21 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Klassenstufe 10, der als so genannter „Einzelstarter“, also nicht als Teil einer Gruppe, einen ersten Preis beim Landeswettbewerb Mathematik gewonnen hat. Auf die Lösungen zu den insgesamt vier Aufgaben zu kommen, die er einreichen musste, sei ihm relativ leicht gefallen, berichtet der 16-Jährige. Die eigentliche Arbeit habe für ihn in den Begründungen, Beweisführungen und in der Dokumentation seiner Lösungswege bestanden. 

Das ist durchaus im Sinne des „Landeswettbewerb Mathematik Baden-Württemberg e.V.“, der den Wettstreit ausschreibt, weiß Yvonne Heneka. Sie ist Lehrerin für Deutsch, Geographie und Mathematik am Stromberg-Gymnasium. Ihr zufolge finden sich auf dem Arbeitsblatt „meist komplexere Beweisaufgaben aus verschiedenen mathematischen Gebieten, vor allem Geometrie und Zahlentheorie. Die Problemstellungen regen an, eigene Lösungsideen zu entdecken.“ Die für die Schülerinnen und Schüler größte Schwierigkeit sei dann meistens, „aus diesen Lösungsideen einen allgemeingültigen und lückenlosen mathematischen Nachweis zu formulieren“.

 „Ich habe bei jeder Aufgabe zunächst skizziert, wie ich den Beweis machen möchte, und mich anschließend an die Ausformulierung gemacht“, erklärt Jonathan. Dabei habe er festgestellt, dass die genaue Dokumentation durchaus ihren Sinn habe: „Während der Beweisführung habe ich manchmal gemerkt, dass die Lösung nicht ganz richtig war“, gibt er zu. Und resümiert: „Es kommt auf die Übung an.“

Mathematik geübt hat Jonathan seit seiner Kindheit schon viel: „Solange ich zurückdenken kann, hatte ich Spaß daran“, erinnert er sich. „Schon in der zweiten Klasse habe ich mit Quadratwurzeln gearbeitet und sie meinen Klassenkameraden erklärt.“ Einiges spricht dafür, dass dem mittleren von drei Brüdern dieses besondere Interesse und die entsprechende Begabung in die Wiege gelegt wurden: „Auch meine beiden Brüder interessieren sich für Mathematik. Mein Vater ist ebenfalls ein Zahlenmensch, mein Opa genauso.“

Das Differenzierungsangebot des Stromberg-Gymnasiums, das Schülerinnen und Schülern ermöglicht, ihre Stärken außerhalb des Unterrichts zu vertiefen, habe für ihn in den fünfeinhalb Jahren seiner Schulzeit immer wieder spannende Möglichkeiten bereitgehalten. Hier habe er schon in der Unterstufe das Programmieren mit „Scratch“, einer altersgerechten Programmiersprache, kennengelernt. Später erwarb er in der MINT-AG Kenntnisse über das Programmieren mit Robotern und den 3-D-Druck. Heute programmiert der Jugendliche eigenständig Computerspiele und Animationen mit Fraktalen, also Figuren, die aus mehreren verkleinerten Kopien ihrer selbst bestehen.  

Vor einigen Tagen hat Jonathan nun bereits die Aufgaben für die zweite Runde des Landeswettbewerbs Mathematik eingereicht, die er etwas schwerer fand als diejenigen der ersten Runde. Er hofft, dass sich das Knobeln gelohnt hat: Den Gewinnern eines ersten oder zweiten Preises in der zweiten Runde winkt die Teilnahme an mehrtägigen mathematischen Seminaren zu den Themen „Zahlentheorie – vom Zaubertrick bis zur Verschlüsselung“ und „Knotentheorie“. 

Anfang März müssen zudem noch die Aufgaben für den Bundeswettbewerb Mathematik fertig bearbeitet sein, an dem Jonathan ebenfalls teilnehmen möchte. Und dann steht Mitte März auch noch das Jazzkonzert an seiner Schule an, an dem der vielseitig begabte junge Mann ebenfalls mitwirkt: als Sänger im gemeinsamen Chor conTakt des Stromberg-Gymnasiums und der Jugendmusikschule Vaihingen, außerdem als Mitglied der Big Band, in der er Trompete spielt. 

Es sieht jedenfalls ganz so aus, als würde Jonathan Rösler in den kommenden Wochen nicht allzu viel Zeit haben, sich mit Spielen zu beschäftigen, bei denen Perlen in unterschiedliche Gläser gefüllt werden müssen. 

Bericht: Sy, Fotos: Br