Springtime zwischen Schulbank, Schiff und Steinkreis

Eine Schülergruppe des Stromberg-Gymnasiums besucht die Partnerschule St. John’s Community College im britischen Marlborough

Es ist ja nicht so, als wäre man nicht gewarnt worden: „Coach Marshalls“ gehörten einer sehr scheuen Spezies an, die im wirklichen Leben schwer anzutreffen sei, ähnlich einem Fabelwesen. So hatten es die Kolleginnen des St. John’s Community College in Marlborough, mit dem das Stromberg-Gymnasium seit vielen Jahren eine Partnerschaft pflegt, sinngemäß formuliert. Allein: Ohne die Zustimmung des Coach Marshalls dürfen keine Busse mit Reisegruppen an Bord das Gelände des Flughafens Heathrow verlassen. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, den Coach Marshall zu finden.

In dieser schier aussichtslosen Mission irrlichterte Herr Schüly kurz nach der Ankunft in London dann erst einmal durch das Busterminal. Schließlich saßen dann aber doch alle 16 Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 und 9, die einen Platz in der Austauschgruppe ergattert hatten, samt Herrn Neulinger und Herrn Schüly im Bus auf der Fahrt nach Marlborough. Dort, rund 120 Kilometer westlich von London, an der geradezu malerisch auf dem Granham Hill gelegenen Schule, bereiteten ihre Austauschpartnerinnen und Austauschpartner sowie die beiden Lehrerinnen Mrs Dickinson und Ms Drake der Gruppe aus Vaihingen einen herzlichen Empfang.

Die Woche bot den Schülerinnen und Schülern aus Vaihingen Gelegenheit, sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie an einer britischen Gemeinschaftsschule gelernt wird. Der optisch auffälligste Unterschied: Die Schuluniform, die mit dunkelblauem Blazer und gestreifter Krawatte allen Geschlechtern Disziplin abverlangt, zumindest kleidungstechnisch. Die Tradition der Schuluniform war denn auch Inhalt einiger Fragen, die die Gäste vom Stromberg-Gymnasium an Schulleiter Mr Henderson richteten. Er hieß die Gruppe zu Beginn des ersten Schultags willkommen am St. John’s Community College – und kündigte an, dass die bisherige Schuluniform künftig einer legereren, alltagstauglicheren Variante aus Pullover und Polo-Shirt weichen werde.

Während die Vaihingerinnen und Vaihinger ihre Austauschpartnerinnen und Austauschpartner in unterschiedliche Unterrichtsstunden begleiteten, fielen ihnen noch mehr Unterschiede zum deutschen Schulsystem auf – so etwa, dass in England jede Lehrkraft über ihr eigenes Unterrichtszimmer verfügt und dort von ihren Klassen aufgesucht wird. Nicht zu unterschätzen war dabei die Gefahr, den Unterrichtsraum nicht oder zumindest nicht rechtzeitig zu finden, wie eine Teilnehmerin beklagte: „Man checkt nie, wo was ist!“ In diesen Fällen war aber stets ein freundlicher, hilfsbereiter Brite zur Stelle, der den deutschen Schülerinnen und Schüler den richtigen Weg wies.

Für Gesprächsstoff sorgte auch das Kurssystem, in dem Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Fächern auf unterschiedlichen Niveaustufen lernen. Manche konnten dem Umstand, dass an einer englischen Schule niemand „sitzenbleiben“ kann, durchaus etwas abgewinnen. „Andererseits ist das Sitzenbleiben für viele auch ein Ansporn, sich anzustrengen“, war indes auch zu vernehmen. Dem Biorythmus Heranwachsender entgegen kommt die Struktur eines englischen Schultags: Er beginnt beginnt um 08:45 Uhr und endet inklusive Mittagspause um kurz nach 15:00 Uhr nachmittags.

Zu den Highlights an den Unterrichtstagen gehörten eigens für die deutschen Gäste gestaltete Stunden: Unter Anleitung von Kunstlehrer Mr Harrison entstanden – zur Musik der Beatles – Portraits von John Lennon im Stil der pop art Andy Warhols, bei science-Lehrerin Ms van Niekerk bauten die Vaihinger Schülerinnen und Schüler in Windeseile lange Achterbahnen. Bibliothekarin Mrs Stokes ließ die Jugendlichen auf spielerische Art und Weise die vielfältige Auswahl klassischer Jugendliteratur am St. John’s Community College erkunden.

Zeit blieb aber auch für die zahlreichen Sehenswürdigkeiten Marlboroughs und der näheren Umgebung: Eine Stadtrallye durch die Innenstadt von Marlborough begann mit einem Blick über den pittoresken Stadtkern vom Turm der St. Peter’s Church aus. Höhepunkt eines Tagesausflugs nach Bristol war eine Führung an Bord der SS Great Britain, jenes Schiffes, das im 19. Jahrhundert unzählige Auswanderer zunächst vom Fluss Avon aus nach New York, später auch nach Australien brachte. Und obwohl man nicht unbedingt nach England reist, um sonniges Wetter zu genießen: Das berühmt-berüchtigte britische Wetter zeigte sich von seiner frühlingshaftesten Seite, als es besonders darauf ankam: Am Tag, welcher der Besichtigung des Steinkreises von Avebury gewidmet war, eines der größten Steinkreise auf den britischen Inseln und seit 1986 Weltkulturerbe der UNESCO, gemeinsam mit seinem vielleicht bekannteren Pendant Stonehenge.

Noch mehr Sehenswürdigkeiten wurden am Wochenende in Augenschein genommen, das die Vaihinger Jugendlichen in ihren Gastfamilien verbrachten. Auf dem Programm standen zahlreiche Ausflüge, etwa in die britische Hauptstadt London. Und auch wenn am Montag die Woche schon wieder vorbei war und Abschiednehmen hieß – es bleibt die Vorfreude auf den Besuch der englischen Schülerinnen und Schüler und ihrer Lehrkräfte Anfang Juli in Vaihingen.

   Bericht und Fotos: Sy