Trotz einer Nacht am Flughafen eine gelungene Schwedenreise

Am Ende sind sich fast alle einig: Am liebsten wären sie noch ein wenig länger in Schweden geblieben – und es werden eifrig Pläne für ein Wiedersehen in einer der nächsten Ferien geschmiedet. Der erste Besuch von Schülerinnen und Schülern, die in der Jahrgangsstufe zwei des Vaihinger Stromberg-Gymnasiums das Leistungsfach Englisch belegen, an der Peder Skrivares skola im schwedischen Varberg kann somit als voller Erfolg gewertet werden.

Dabei schien der vom EU-Förderprogramm Erasmus+ unterstützte Austausch zunächst unter keinem guten Stern zu stehen: Kurz nachdem die Gruppe aus 24 Schülerinnen und Schülern mit den beiden Lehrkräften Rebekka Walter und Christoph Schüly an jenem Montag Ende September am Schiphol-Flughafen in Amsterdam angekommen ist, von dem aus es nach Göteborg weitergehen soll, wird der Anschlussflug abgesagt. Ersatzflug? Erst am nächsten Morgen. Hotelzimmer für die Nacht? Fehlanzeige. Das Kontingent der Fluglinie an Hotelzimmern ist bereits erschöpft – und leider lassen es die Hausregeln der meisten niederländischen Hotels nicht zu, dass Minderjährige ohne Begleitung Erwachsener in ihren Räumlichkeiten übernachten. Also blieb nur eines: Sich ein gemütliches Plätzchen am Flughafen zu suchen, um dort die Nacht zu verbringen, bis die Reise nach Göteborg am nächsten Morgen fortgesetzt werden konnte – mit einem Umweg über München.

Zwar nicht mit allen Koffern, aber dennoch froh gestimmt traf die Reisegruppe am frühen Nachmittag des zweiten Reisetages in Varberg ein, einem Ort an der schwedischen Westküste mit knapp 35.000 Einwohnern. Nach dem herzlichen Empfang durch die beiden Lehrerinnen Malin Janko Enander und Caroline von Bahr sowie die schwedischen Austauschpartnerinnen und Austauschpartner durfte sich die Vaihinger Gruppe im Rahmen einer Kennenlernrunde gleich mit einem wichtigen schwedischen Brauch vertraut machen: der fika, einer ausgedehnten Kaffeepause, zu der Gebäck gereicht wird, zum Beispiel die in Schweden sehr beliebten Zimtschnecken. Während die Mehrheit der deutschen Schülerinnen und Schüler anschließend ihre Gastfamilien kennenlernte, stand für einige von ihnen die Erkundung eines Varberger Wahrzeichens auf dem Programm: Die Festung Varberg („Varbergs Fästningens“), die noch vor hundert Jahren als Gefängnis genutzt wurde und in der sich heute unter anderem eine Jugendherberge befindet. Acht Vaihinger Schülerinnen sowie die beiden Lehrkräfte waren dort in ehemaligen Gefängniszellen untergebracht. Der enge Raum und das Zuschlagen der schweren Türen hinterließen durchaus einen beklemmenden Eindruck.

Indes: Die vielfältigen Aktivitäten, die auf die Gruppe warteten, vertrieben jedes Unbehagen rasch wieder. Los ging es am Mittwoch mit einem „Megagame“, das der Übersetzer und Spieleentwickler Magnus Persson gemeinsam mit Lehrenden der Universität Linköping erarbeitet hatte. Es zielt darauf ab, Nachhaltigkeit, Konsumverhalten und globale Zusammenhänge erlebbar zu machen. Zu diesem Zweck nahmen die deutschen und die schwedischen Schülerinnen und Schüler die Rollen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure ein, etwa von Konsumenten, Produzenten, Regierungsmitgliedern sowie Journalisten, und traten miteinander in Verhandlungen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen: Schweden bis 2045 klimaneutral zu machen und sicherzustellen, dass alle Bereiche der Gesellschaft bis 2060 nachhaltig agieren. Am Ende des Tages hatten die Teilnehmenden nach mehreren Spielrunden ein Gespür dafür entwickelt, wie schwierig es ist, Klimaneutralität und Nachhaltigkeit angesichts unterschiedlicher wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen zu erreichen – und idealerweise auch dafür, welche individuellen Entscheidungen diesen Zielen dienlich sind.

Mittwoch und Donnerstag standen ganz im Zeichen des Debattierens. In deutsch-schwedisch gemischten Gruppen hatten die Schülerinnen und Schüler einen Schultag lang Zeit, sich mittels Internet-Recherchen profundes Wissen zu einem vorgegebenen Thema rund um das Oberthema „Nachhaltigkeit“ anzueignen und Argumente für oder gegen eine bestimmte These zu entwickeln. Das Schulgebäude bot ausreichend Raum, dass sich die Jugendlichen in Gruppenarbeitsräume zurückziehen und dort ihre Debattenbeiträge vorbereiten konnten. Am nächsten Vormittag galt es dann, die eigene Argumentation strukturiert, stichhaltig und überzeugend – und selbstverständlich auf Englisch – vor der gesamten Gruppe am Rednerpult darzulegen. Inhaltlich ging es darum, ob Englisch künftig die einzige Amtssprache in der EU sein solle, ob sich Fast Fashion mit unserer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung vereinbaren lasse und ob Tierversuche, Gentechnologie und Kernenergie verboten werden sollten.

Während der Mittagspause wurde nicht nur erneut das vielfältige Angebot der schuleigenen Mensa genossen, sondern auch, geführt von mehreren Schülergruppen, der weitläufige Campus der Schule erkundet – inklusive einer großen, gut ausgestatteten Bibliothek und eines schuleigenen Fitnessstudios. Eine optionale Stadtrallye am Nachmittag bot Gelegenheit, Varberg und seine Sehenswürdigkeiten noch besser kennenzulernen, bevor der Abend einen weiteren kulinarischen Höhepunkt in einem beliebten Varberger Restaurant bereithielt: das schwedische Nationalgericht Köttbullar, natürlich mit Kartoffelpüree und Preiselbeeren. Im Rahmen einer von den schwedischen Schülerinnen und Schülern organisierten Party außerhalb Varbergs wurden am späteren Abend die noch frischen Freundschaften vertieft.

Am Wochenende ging es weiter an der Westküste entlang Richtung Norden – in eine Stadt, die seit ihrer Gründung durch Gustav II. Adolf im Jahr 1621 immer wieder von ihrer strategisch günstigen Lage profitiert hat und heute nach Stockholm die zweitgrößte Metropole Schwedens ist: Göteborg. Als erste Station bot sich – aufgrund des stürmischen Regenwetters – das Universeum an, eine Art schwedische „Experimenta“, in der in einer riesigen Glashalle eine Nachbildung des tropischen Regenwaldes erforscht werden kann. Auf seine Kosten kommt aber auch, wer sich für Raketenwissenschaften, die Unterwasserwelt oder die Funktionen des menschlichen Körpers interessiert.

Am Sonntagvormittag zeigte sich das Wetter dann kooperativ und gestattete einen Stadtrundgang, der am Lilla Bommen, dem kleinen Hafen mit dem darin fest vertäuten Großsegler Barken Viking, seinen Anfang nahm und – an Sehenswürdigkeiten wie dem Opernhaus, dem Stadtmuseum, der Deutschen Kirche, dem Gustav-Adolf-Platz und der „Fischkirche“ vorbei – über das historische Stadtviertel Haga und die Festung Skansen Kronan zur Kungsportavenyn führte, der Flaniermeile Göteborgs. Hier bestand die Möglichkeit, noch letzte Souvenirs zu erwerben, bevor am nächsten Morgen die Heimreise angetreten wurde.

Auch wenn der Abschied schwerfiel und schon Pläne für individuelle Treffen existieren: Im März 2026 steht ja noch der Gegenbesuch der schwedischen Gruppe an. Und Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Bericht: Sy; Fotos: Wa/Sy